Für die Rechte der Flüchtlinge & MigrantInnen
Am Samstag, den 06.Oktober 2012 findet eine antirassistische Demonstration in Dachau statt. Auftakt ist um 13 Uhr im Sonnenwinkel, Wallbergstr. 3, Dachau. Wir dokumentieren an dieser Stelle Teile des Aufrufs und rufen zur regen Teilnahme an der Demonstration für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen auf:
Das Jahr 2012 zeichnet sich bereits jetzt durch bundesweite Proteste von Flüchtlingen aus. Die Zustände sind jedoch nicht erst seit kurzem existent. Die Bundesrepublik Deutschland wurde in der Vergangenheit nicht nur von Flüchtlingsinitiativen, sondern immer wieder von Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International, für ihre schlechte Behandlung von Flüchtlingen kritisiert.
Ausgehend von einem Hungerstreik iranischer Flüchtlinge und deren Protestcamp in Würzburg geriet die Sache ins Rollen. Mittlerweile haben sich die Protestaktionen auf Düsseldorf, Trier, Berlin, Aub, Bamberg, Nürnberg, Regensburg und Passau ausgeweitet. Damit manifestiert sich der Protest überdurchschnittlich in Bayern – und das nicht ohne Grund.
Der Freistaat Bayern zeichnet sich bundesweit durch die restriktivste Behandlung von Flüchtlingen aus. Bereits in Gesetzestexten bzw. der bayerischen „Asyldurchführungsverordnung“ des zuständigen Sozialministeriums ist die Rede davon, die „Rückreisebereitschaft zu fördern“. Das bedeutet nichts anderes als die betroffenen Menschen so mies zu behandeln, dass sie gar nicht hier bleiben möchten. Des weiteren ist Bayern eines der Bundesländer, welches die strikte Unterbringung in als „Sammelunterkünfte“ bezeichneten Lagern ohne Ausnahme praktiziert. Die Flüchtlingen zustehenden 224 Euro im Monat werden, bis auf 40,90 Euro „Taschengeld“, zudem als so genannte Sachleistungen, in Form von Essenspaketen sowie Hygieneartikeln, ausgegeben. Die Residenzpflicht verbietet es Flüchtlingen den Landkreis zu verlassen. Zwar wurde diese Regelung für Flüchtlinge mit „Duldung“ gelockert, bleibt aber prinzipiell bestehen. Ebenso wie sämtliche anderen genannten Schikanen. Eine Absicht auf grundlegende Änderung der inhumanen Bedingungen lassen die zuständigen Behörden sowie die Landesregierung nicht erkennen. In einem Urteil des BGH vom 18.7.12 werden die „Geldleistungen“, also die 224 Euro, des „Asylbewerberleistungsgesetzes“ als unzureichend bezeichnet. Einer Anhebung auf geforderte 336 Euro, knapp unter dem Niveau von Hartz IV (welches genauso wenig ausreicht), verwehrt sich der Bundesinnenminister bisher.
Flüchtlinge in Dachau
Seit über 20 Jahren existiert in der Kufsteinerstraße, außerhalb der Stadt, ein Flüchtlingslager. Dort sind durchschnittlich 150-160 Menschen zwangsweise untergebracht. Damit gehört es zu den größeren Lagern in Bayern. Die Baracken heizen sich im Sommer extrem auf, im Winter sind sie fußkalt und zugig, die dünnen Holzwände im Inneren lassen jedes Geräusch durch. Die vielen BewohnerInnen müssen sich wenige Toiletten und Duschen teilen. Sie müssen auf engstem Raum miteinander auskommen, Privatsphäre gibt es so gut wie keine. Von einer Teilhabe an gesellschaftlichen Aktivitäten wären die Betroffenen ohne Hilfe von engagierten BürgerInnen ganz ausgeschlossen. Die Flüchtlinge bleiben aus Mangel an anderen Möglichkeiten zwischen 4 und 16 Jahren in der Unterkunft, Kinder wachsen dort auf.
Obwohl diese Lebensbedingungen kein Geheimnis sind, waren sie über all die Jahre für die Mehrheit der Dachauer PolitikerInnen und BürgerInnen kein Thema.
Da Ende diesen Jahres die Baugenehmigung ausläuft, ist nun von der Stadt Dachau geplant, dort ein Haus zu bauen. So begrüßenswert dieses Vorhaben auch ist, kommt es doch viel zu spät. Zudem wird noch verhandelt, wo die BewohnerInnen vorübergehend leben sollen.
Der „Asylkompromiss“ 1992- Aushebelung des Grundrechts auf Asyl
Das oben erwähnte „Asylbewerberleistungsgesetz“ und die gesamte heutige Gesetzgebung basiert auf dem „Asylkompromiss“ von 1992, zwischen der damaligen Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und der oppositionellen SPD. Seit der Wende kamen aus konservativen Kreisen immer wieder Stimmen, die die Verschärfung oder gar Abschaffung des Asylrechts forderten. In ihrer „das Boot ist voll“-Rhetorik wurden sie von den Medien tatkräftig unterstützt.
Als sich dann im August des selben Jahres das rassistische Pogrom in Rostock-Lichtenhagen ereignete, bei dem Flüchtlinge und MigrantInnen drei Tage lang von Neonazis und BürgerInnen angegriffen wurden, schwenkte die SPD um. Damit hat die Politik nicht, wie oft behauptet, vor dem Mob kapituliert. Sie hat sich eine Pogromstimmung und gewalttätigen Rassismus zu Nutze gemacht, nachdem sie diese Stimmung mit erzeugt hat! Allein im ersten Halbjahr 1992 wurden offiziell 1443 rassistische Straftaten, darunter 128 Brandanschläge, 178 Angriffe auf Personen und 1137 sonstige rassistische Straftaten gezählt, im gesamten Jahr insgesamt fast 2000. Auch einem Anwachsen des Neonazismus wurde damit nicht Einhalt geboten – im Gegenteil – er ging gestärkt daraus hervor. Nach wie vor stellt rassistische Gewalt eine große Bedrohung für MigrantInnen dar. Eine Tatsache die von Politik und BürgerInnen gleichermaßen ignoriert, verharmlost oder geleugnet wird.
Das Resultat des „Asylkompromisses“ wirkt bis zum heutigen Tag fort. Seit 20 Jahren werden Flüchtlinge durch staatliche Behandlung degradiert, gedemütigt und systematisch ausgegrenzt. Auch rassistische Sichtweisen sind heute in der Mitte der Gesellschaft salonfähig geworden, wie z.B. die „Sarrazin-Debatte“ deutlich belegt. Dabei reduziert sich Ausgrenzung nicht auf Rassismus alleine. Betroffen sind all jene, die dem Druck der Leistungsgesellschaft nicht standzuhalten vermögen. Wie z.B. Hartz IV Abhängige oder im Niedriglohnsektor Beschäftigte. Kürzungen von Sozialleistungen und hohe Mieten – gerade in Dachau ein Thema – stellen heute viele Menschen vor existenzielle Probleme. In einem Klima gesellschaftlicher Kälte werden sie mehr und mehr ausgegrenzt. Ob Flüchtlinge, MigrantInnen oder Hartz IV-Abhängige: Einer Gruppe von Menschen werden pauschal gewisse Eigenschaften zugeschrieben. Sie seien faul, kriminell, dumm oder sonst was. Dies entstammt nicht nur der Politik oder Elite, sondern auch einem beträchtlichen Teil der Gesellschaft und läuft dem Prinzip von Solidarität gänzlich zuwider.
Derartige Zustände können nicht weiter ignoriert, sie müssen konkret als Problem erkannt, benannt und verändert werden. Die Verhältnisse verändern sich nur, wenn wir alle für ihre Veränderung sorgen. Ein Leben in Würde ist das Recht aller Menschen und nicht nur derer, die es sich leisten können!
Für uneingeschränktes Recht auf Asyl
Dezentrale Unterbringung statt Lagerzwang
Abschaffung von Residenzpflicht und Essenspaketen
Rassismus den Kampf ansagen
GRENZENLOSE SOLIDARITÄT