Weit über 100 KollegInnen beteiligten sich am 19.9.2017 an einem stündigen Warnstreik am Helios Amper Klinikum Dachau und an der Helios Klinik Markt Indersdorf. Die Forderung nach grundsätzlich mehr Personal, einer personellen Regelung wie viele PatientInnen eine Pflegekraft maximal versorgen darf und eine anhand dessen festgelegte Bemessung der Besetzung der einzelnen Stationen wird seit fast einem Jahr regelmäßig öffentlich gefordert.
Dem Klinikbetreiber Helios Kliniken Gmbh, dem größten Klinikkonzern in Europa, wird eine völlig überzogene Gewinnerwartung vorgeworfen. 15% Gewinnmarge ist die offizielle Richtschnur von Helios. Die Belange der Beschäftigten sind dabei nicht einmal zweitrangig, sie scheinen vielmehr keine Rolle zu spielen. Seit Oktober 2016 formiert sich Protest in den Dachauer und Indersdorfer Kliniken, die Zustände permanenter Überlastung und Druck seitens der Vorgesetzten nicht mehr hinzunehmen. Denn hinter geschlossenen Türen sind Drohgebärden, ob zwischen den Zeilen oder offene, keine Seltenheit. Hier geht es um weit mehr als nur Wertschätzung, hier geht es darum, Würde zurück zu gewinnen.
Die Beschäftigten nutzten Podiumsdiskussionen, Infostände, Interviews und kleinere betriebliche Aktionen. Zu keinem Zeitpunkt war Helios bereit auf die Anliegen der Beschäftigten einzugehen. Es war eindeutig, dass man hier auf den klassischen Arbeitskampf zusteuern muss. Die Gewerkschaft ver.di kündigte Anfang diesen Jahres an, nach dem Vorbild der Berliner Charite personelle Mindestbesetzungen bundesweit in Form von Tarifverträgen zu erkämpfen. Von der Ankündigung dies flächendeckend durchzusetzen rückte man im Frühjahr ab. Allerdings sollte an ausgesuchten Standorten dafür gekämpft werden. Die Unabhängige Betriebsgruppe am Klinikum Dachau setzte sich zum Ziel, dass Dachau genau zu diesen zählt. Und so kam es. Neben Lohnforderungen und einer neuen Eingruppierung wurde der Gegenseite bei der ersten Verhandlungsrunde am 29.8.17 erklärt, eine Mindestbesetzung verhandeln zu wollen. Das lehnten die Helios Vertreter kategorisch ab. Angesichts der vorherrschenden Zustände, in der Pflegekräfte täglich teils zwischen knapp unter 30 und nachts bis zu 40 PatientInnen versorgen müssen, eine unmissverständliche Ansage. Somit war auch eine unmissverständliche Antwort seitens der Beschäftigten gefragt.
Erstmals arbeitet ver.di mit einem Modell, welches die Stationen und Abteilungen in die Entscheidungsstrukturen mit einbindet. Die so genannten Teamdelegierten sollen die Vorgaben von ver.di in die Teams tragen und die Stimmung für die Tarifkommission widerspiegeln. Man muss dazu keine ver.di Mitglied sein. Die Beschäftigten können ihrerseits konkrete Zahlen, Sachverhalte und Forderungen in die Tarifkommission bringen und ihnen entsprechenden Nachdruck verleihen. So kann aus den rituellen tariflichen Auseinandersetzungen der Kern des Arbeitskampfes wieder die Oberhand erlangen. Nämlich ein Kampf für Würde und Rechte der Beschäftigten. Die Aktiven der Unabhängigen Betriebsgruppe waren im Vorfeld strategisch mit einbezogen, mobilisierten mit einem Streikrecht für Unorganisierte und stellten Streikposten.
Bereits zu Beginn des Streiks um 6 Uhr in der Früh informierten Streikposten KollegInnen des Frühdienstes und gaben noch einmal rechtliche Hinweise. Beispielsweise, dass nur KollegInnen der am Vortag vereinbarten Notdienstbesetzung zum Dienst antreten müssen. Und diese auch nicht die Ausfälle, wie sonst tagtäglich, kompensieren sollen. Leider gab es am Tag davor auch schikanöses Verhalten seitens der Klinikleitung. Am frühen Abend des 18.9. gingen sie überfallartig auf eine gut organisierte Station und versuchten KollegInnen einzuschüchtern. Der Pflegedirektor riss wütend Gewerkschaftsplakate ab und warf sie in den Müll. Umso besser, dass man sich davon eher bestätigt fühlte. Die Streikversammlung gewann in Teilen an Eigendynamik. Etwa durch ein Schild, das Autofahrer aufforderte zweimal zu hupen für mehr Krankenhauspersonal. KollegInnen stellten sich auf die Straße und forderten unmissverständlich zum Hupen auf. Diese kamen dem gern nach. Und so kam eine ganz eigene Kommunikation mit der Bevölkerung zustande. Letztere konnten sich auf einfache Weise solidarisieren und die Beschäftigten fühlten sich ermutigt. Auch die Berichterstattung in der Presse kann als positiv bewertet werden. KollegInnen konnten ausführlich schildern, was die Auswirkungen der Arbeitsbedingungen letztlich für die zu betreuenden PatientInnen bedeuten.
Natürlich gab es auch negative Aspekte. Die Notdienstverordnung sah zwei Pflegekräfte plus eine Pflegehilfskraft auf großen, auf kleineren ohne zusätzliche Hilfskraft, vor. Das ist an vielen Tagen die „normale“ Besetzung auf Stationen zwischen 70 und 77 Betten. Und nicht einmal dies konnte auf manchen Stationen erfüllt werden. Oder wenn doch, gerade so. Die Folge war, dass sich dort niemand am Streik beteiligen konnte. Eine Tatsache, die Bände spricht. Aber daran kann man arbeiten. Denn das war nur der Auftakt. Ein rasches Einlenken kann man bei Helios erfahrungsgemäß nicht erwarten. So wird es weitergehen und wir werden auch einen Schritt weitergehen. Die Faust ist aus der Tasche.