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Bleiernd liegt in den 1950er und 60er Jahren ein Grauschleier über der Gesellschaft in der bigotten Adenauer-Ära. Noch ist die antiautoritäre Sozialrevolte der 68er-Bewegung nicht losgetreten, doch stellen sich vor allem Teile der Jugend immer öfters quer.

Als am Abend des 21. Juni 1962 gegen fünf Straßenmusiker auf der Schwabinger Leopoldstraße ein Polizeieinsatz ausgelöst wird, läuft das Fass in der bayerischen Landeshauptstadt über. An fünf Nächten hintereinander liefern sich mehrere tausend Demonstrierende mit der Polizei einen Kampf um die Oberhoheit im Münchner Stadtteil Schwabing. Zentrum der militanten Kämpfe bildet dabei die Gegend um die Universität (LMU), wobei insgesamt bis zu 40 000 Protestierende an den nächtelangen Krawallen teilnehmen. Die zum Teil berittene Polizei agiert mit einer offen zur Schau gestellten Brutalität.

 

Für München erweisen sich die Schwabinger Krawalle eindeutig als ein Bindeglied zwischen der proletarischen Halbstarkenrebellion 1956-58 in der BRD und der (weltweiten) Sozialrevolte von 1967/68. Im ehemaligen Künstler- und jetzigen Studierendenviertel Schwabing kämpfen 1962 sowohl HochschülerInnen wie auch Lehrlinge und JungarbeiterInnen gegen die Staatsgewalt. An den letzten Abenden kommen auch Personen aus anderen Städten hinzu, die sich an den Kämpfen aktiv beteiligen. Die Motive für die Rebellierenden sind vor allem dieVerteidigung ihrer kulturellen Selbstbestimmung – gerade an einem so traditionell libertären Ort wie Schwabing - sowie der Protest gegen die massive Polizeigewalt.

 

Gegen das enge, trostlose und repressive gesellschaftliche Klima im Nachfolgestaat der Nazis, werden in jugendlichen Milieus vielerorts neue kulurelle Formen ausprobiert und viele fangen an, das Leistungs- und Arbeitsethos der älteren Generation offen in Frage zu stellen. Einer der TeilnehmerInnen an den Krawallen ist der neunzehnjährige Andreas Baader, der aus dem über 80 km entfernten oberbayerischen Traunstein anreist, um sich an den Kämpfen gegen die staatliche Repression zu beteiligen. Seiner Mutter sagt der spätere RAF-Gründer Baader über seine Eindrücke während der Krawalle: "Weisst du Mutter, in einem Staat, wo die Polizei mit Gummiknüppeln gegen singende junge Leute vorgeht, da ist etwas nicht in Ordnung.“

Bei der juristischen Aufarbeitung der fünf militanten Nächte, zeigte sich dann die ganze gesellschaftliche Repressivität der Adenauerzeit. Während Jugendliche (ca. 200 Festgenommene) zum Teil drastische Urteile entgegenzunehmen hatten, wurden die eingesetzten Polizisten kaum belangt. Die harsche und gewalttätige Reaktion von Polizei und Justiz hatte dabei viel mit traditionellen Werten wie Staatsautorität und Ordnungsliebe zu tun. Gerade die jugendliche Coolness oder der (öffentliche) weibliche Protest während der Krawalle sowie die offen zur Schau gestellte Hinterfragung der herrschenden Lebensnormen etwa durch sogenanntes Gammeln (angeblich: "sinnlose Beschäftigung"), forderte die staatlichen Autoritäten, aber auch die miefige Spießigkeit und die öffentliche Meinung in der BRD heraus.

Aus Anlass des 50sten Jahrestages der Schwabinger Krawalle findet am 21. Juni 2012 ein lautes und originelles Straßenfest an der Münchner Freiheit statt. (näheres unter Termine auf dieser Seite)