Tradition

Die FAU bezieht sich in ihrer Praxis und ihren Ideen auf das Erbe des revolutionären Syndikalismus, der am Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich als militante Gewerkschaftsbewegung entstanden war. Doch auch die noch ältere Tradition des Arbeiteranarchismus, der praktisch schon seit der Entstehung der organisierten Arbeiterbewegung existierte, spielte bei der historischen Konstituierung des Anarchosyndikalismus eine bedeutende Rolle.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich durch die sogenannte zweite industrielle Revolution die Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden und Unterklassen in den Industriestaaten massiv veränderten, entstanden in rascher Folge auf allen fünf Kontinenten syndikalistische (Massen-)Gewerkschaften. Zu dieser Zeit war der Kapitalismus durch die intensivierte Mechanisierung, den weitverbreiteten Gebrauch von Elektrizität und die Massenproduktion von Gütern (Taylorismus und Fordismus) geprägt. Für die ArbeiterInnen, HandwerkerInnen, proletarischen Hausfrauen und die bäuerliche Bevölkerung bedeuteten diese wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen u. a. eine Dequalifizierung ihrer bisherigen Tätigkeiten, den Verlust von Kontrollmöglichkeiten über die Produktion und die Arbeitszeit, die Zusammenballung großer proletarischer Massen in Mammutfabriken sowie eine ständig wachsende soziale Ungleichheit.

Genau zu diesem geschichtlichen Zeitpunkt schufen verschiedene Teile des Proletariats und bestimmte Arbeiterschichten (anarcho-)syndikalistische Basisgewerkschaften als militante Klassenkampforganisationen, um dem Kapital und den Staat gemeinsam und entschlossen entgegentreten zu können. Es waren zum einen qualifizierte und aus einer handwerklichen Tradition stammende FacharbeiterInnen (Bauberufe, Metallhandwerk, Holz- und Textilbranche) sowie andererseits aus ländlichen Gebieten kommende Neuproletarisierte oder ImmigrantInnen, die in den großen Fabriken (Chemie, Autoindustrie, Stahlproduktion), Bergwerken, Häfen und Werften un- oder angelernte Arbeiten verrichten mussten, die die Mitgliedschaft der (anarcho-)syndikalistischen Gewerkschaften bildeten.

Bei den syndikalistischen ArbeiterInnen spielte auch die Ablehnung sozialdemokratischer Strategien eine wichtige Rolle. Im Syndikalismus wird die Zweiteilung in einen politischen (Partei) und wirtschaftlichen Kampf (Gewerkschaft) abgelehnt bzw. überwunden. Aber auch reformistische, parlamentarische und staatsbezogene sozialistische Konzepte kommen im Anarchismus und Syndikalismus nicht in Frage. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichten syndikalistische Gewerkschaften rund um den Globus eine jeweils in die Hunderttausend gehende Anhängerschaft und waren in nicht wenigen Ländern zeitweise sogar die Mehrheitsgewerkschaft. Bekannte und bedeutende (anarcho-)syndikalistische Gewerkschaften waren bzw. sind z. B. die spanische CNT, die italienische USI, die schwedische SAC und die nordamerikanischen IWW. Auch in Deutschland existierte in der Weimarer Republik mit der FAUD eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft, die ihren Zenit 1922/23 mit ca. 150 000 Militanten erreichte. Wie alle proletarischen und linken Organisationen wurde auch die FAUD vom NS-Regime in den 1930er Jahren zerschlagen.

Es dauerte bis 1977, bis junge AnarchosyndikalistInnen und libertäre ArbeiterInnen die FAU in der BRD wieder gründeten, wobei sie sich einerseits auf den historischen Syndikalismus und andererseits aber auch auf die spanische Revolution von 1936 bis 1939 bezogen. Wie weltweit bei allen anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaften üblich, üben auch in der FAU Aktive nur auf ehrenamtlicher Basis Funktionen und Mandate aus. In der Tradition des Anarchosyndikalismus stehend, verstehen sich die FAU-Mitglieder auch heute noch als eine Kulturbewegung, die zu neuen sozialen Beziehungen in der Gesellschaft führen soll. Auch der von Generation zu Generation tradierte Anspruch, eine politisch-wirtschaftliche Einheitsorganisation zu schaffen, ist in der FAU nach wie vor aktuell. Dazu zählt auch, dass sich die FAU-Militanten wie selbstverständlich in gesellschaftlichen Kämpfen, wie die gegen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus und Krieg, engagieren.

Betriebsarbeit

Betriebliche Öffentlichkeit herstellen...

Wie bei jeder Gewerkschaft, so ist auch bei der FAU der Arbeitsplatz Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten. Im Betrieb nutzen wir beispielsweise Flugblätter, Betriebszeitungen oder auch Schwarze Bretter, um auf Missstände hinzuweisen und gewerkschaftliche Initiativen zu starten. Zusammen mit engagierten KollegInnen treffen wir uns zu Stammtischen, um uns auch außerhalb des Betriebes austauschen zu können.

...Arbeitskämpfe organisieren

Unabhängige oder FAU-Betriebsgruppen ermöglichen uns eine kontinuierliche betriebliche Praxis auch über konkrete bzw. einmalige Konflikte hinweg. Das grundlegende und basisdemokratische Gremium im Betrieb ist jedoch die Vollversammlung der Belegschaft. Hier können alle Beschäftigten - auch die unorganisierten - an den Diskussionen und Entscheidungen teilnehmen. Die Belegschafts- oder Streikversammlung ist also der Ort, an dem über Forderungen, Kampfmaßnahmen und Verhandlungsergebisse beraten und entschieden wird.

Der Aufbau der FAU

Die Vollversammlung

Die Vollversammlung ist das zentrale Entscheidungsgremium der FAU. Sie findet alle zwei Wochen statt. Hier können alle Mitglieder sowie InteressentInnen anwesend sein.
Alle haben ein Rederecht, Mitglieder haben ein Antrags- und Stimmrecht.
MandatsträgerInnen können auf einer Vollversammlung über Ihre Aufgaben befragt werden um stets eine möglichst hohe Transparenz zu gewährleisten.
Eine vorläufige Tagesordnung wird durch das allgemeine Sekretariat im Vorfeld erstellt und mit einer Einladung zur Vollversammlung verschickt. Jedes Mitglied darf Tagesordnungspunkte einbringen. Schreib dazu einfach eine Nachricht an das allgemeine Sekretariat.

Imperatives Mandat, Ämterrotation, Entlastung

Die Erledigung von Aufgaben, die sich einer direkten Kontrolle der Basis entziehen, weil sie zum Beispiel zwischen den Versammlungen erledigt werden müssen, funktioniert bei uns mittels eines Delegiertensystems. Manche Mandate werden nur für ein einzelnes Ereignis erteilt, zum Beispiel für den Jahreskongress, andere Mandate dauern mehrere Jahre, zum Beispiel als Redakteur der „DA“.
Die Mandate müssen möglichst präzise abgegrenzt sein, um klar zu machen, was die mandatierte Person darf, und was nicht. So darf das internationale Sekretariat beispielsweise zwar die Kommunikation mit den befreundeten internationalen Kontakten pflegen, aber es dürfte nicht auf internationale Kongresse fahren und im Namen der FAU an Abstimmungen teilnehmen. Dazu müsste der Mandatierte erst durch eine Delegiertentreffen legitimiert werden.
Und dann ist die mandatierte Person zwingend an die Beschlüsse der Basis gebunden. Handelt sie gegen diese Beschlüsse kann die Person jederzeit abberufen werden.
Um weiterhin die informellen Hierarchien so flach wie möglich zu halten und möglichst vielen Leuten die Möglichkeit zu geben, sich in verschiedenen Ämtern zu engagieren, gibt es die Ämterrotation, die verhindert, dass bestimmte Ämter zu lange von einzelnen Personen besetzt werden. In der Regel ist nach zwei Jahren in einem Amt schluss.

Finanzen

Die FAU finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die eingezahlten Beiträge werden, je nach aktueller Beschlusslage, zu einem bestimmten Anteil auf ein Streikkonto eingezahlt, aus dem Rest finanziert sich das Tagesgeschäft.
Sieben Euro pro Mitglied werden allerdings immer an die Region gezahlt, welche zwei Euro an die Geschäftskommission weiter leitet. Von diesem Geld wiederum werden Zuschüsse für Propaganda, Rechtsstreitigkeiten und Arbeitskämpfe, sowie unsere Vernetzung bezahlt.
Im Streikfall hast du natürlich ein Recht auf Streikgeld, soweit es die finanzielle Situation erlaubt.

Basisdemokratie

Von unten nach oben

Die FAU München ist eine direktdemokratische Basisgewerkschaft, die bewusst auf weisungsbefugte und bezahlte FunktionärInnen verzichtet. Das höchste Entscheidungsgremium ist die Vollversammlung (VV) der Gewerkschaftsmitglieder.

 

In unserem gewerkschaftlichen Alltag spielen vor allem die einzelnen Syndikate (Branchengewerkschaften) und Sektionen eine Rolle. Diese Teilgliederungen wiederum regeln ihre Angelegenheiten selbständig auf eigenen Sitzungen. Für all unsere Versammlungen gilt, dass wir darunter keine geschlossenen oder geheimen Veranstaltungen verstehen, sondern offene und lebendige Treffen, die auch allen an der FAU interessierten Menschen offen stehen.

Nicht nur Stimmvieh...

Basisdemokratie heißt für uns aber nicht, nur die Wahl zwischen "ja" und "nein" bei wenigen und vorgefertigten Fragestellungen zu haben. Vielmehr können sich alle Mitglieder an allen Diskussionen beteiligen, eigene Anträge einbringen sowie Mandate und Delegiertenaufgaben übernehmen und so ständig aktiven Einfluss auf die Praxis der FAU nehmen.

...und nicht nur BeitragszahlerIn

Die täglich anfallenden Aufgaben einer Gewerkschaft können natürlich nicht alle auf Vollversammlungen erledigt werden, dies würde uns mehr lähmen als nützen. Dafür bestimmen wir jederzeit wieder abwählbare Mandatierte, beispielsweise ein allgemeines Sekretariat, eine/n Kassenbeauftragte/n sowie Zuständige für Presse-/Medienarbeit. Alle Funktionen werden grundsätzlich ehrenamtlich ausgeführt und sind an ein imperatives Mandat - also an das Votum der Basis - gebunden. Alleingänge oder gar Funktionärsentscheidungen gegen die Basis sind daher ausgeschlossen.

 

Um komplexe Themen und zeitintensive Diskussionen, die den Rahmen unserer regulären Treffen sprengen würden, angemessen bearbeiten zu können, richten wir immer wieder Arbeitsgruppen (AGs) ein und führen Klausuren durch, die ebenfalls allen Mitgliedern offen stehen.

 

Ziele

Eine kämpferische Gewerkschaft

Als basisdemokratische Gewerkschaft will die FAU München zunächst konkret die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, aber auch die kulturellen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder wahren und fördern. Die FAU bedient sich dabei verschiedener basisgewerkschaftlicher Mittel. Dazu zählen klassische Mittel wie Arbeitsniederlegungen, Betriebsvereinbarungen und juristische Auseinandersetzungen, aber auch betriebliche Vollversammlungen und direkte Aktionen. Damit wollen wir Forderungen der Belegschaft durchzusetzen und einmal Erreichtes absichern. Zu diesem Zwecke arbeitet die FAU auch daran, die Bildung und die Kompetenzen aller Lohnabhängigen zu erweitern und zu vertiefen.

Solidarität organisieren

Die gesellschaftlichen Interessenlagen im Kapitalismus sind komplex. Deshalb bemüht sich die FAU München - über die eigene Mitgliedschaft hinaus -, das Bewusstsein von ArbeiterInnen über die gemeinsame Situation ebenso zu fördern wie den Geist der Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Dazu muss die solidarische Zusammenarbeit von Lohnabhängigen über Organisations-, Branchen- und Ländergrenzen hinweg ausgebaut werden.

Eine freie Gesellschaft erkämpfen

Wir wollen nicht nur Lohnerhöhungen und Arbeitszeitreduzierungen durchsetzen, sondern auch weitergehende Klasseninteressen auf die Tagesordnung setzen. Durch die Zusammenführung und Ausweitung von sozialen Kämpfen wollen wir Fahrt aufnehmen, um die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu ändern. Die FAU tritt für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein, die auf kollektivem Eigentum und Selbstverwaltung basiert. Um dieses Ziel zu erreichen, organisieren wir uns in einer Basisgewerkschaft.